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Fallstudie, wie schnell explizites Wissen veraltet: Wiki in Forschungsabteilung

25. Juni 2014

Veraltetes explizites Wissen im Wiki einer ForschungsabteilungMit den Kunden, aber auch immer wieder intern mit den Kollegen gibt es interessante Diskussionen, welchen Stellenwert das Management von explizitem Wissen in einer Wissensmanagement-Gesamtstrategie haben sollte. Selbstverständlich werden als Grundlage für ein Wissensmanagement-Szenario immer Dokumente / Wikiartikel etc. gespeichert, mit Metadaten strukturiert und durch Navigation und Suche zugänglich gemacht. Das passt. Das ist oft auch das Erste was den Kunden zum Thema „Wissensmanagement“ als Anforderung in den Sinn kommt.

Ich habe dabei aber immer auch ein wenig Bauchweh. Der Wert von explizitem Wissen steht und fällt neben der Verwendung auch mit dessen Relevanz. Man weiß dass explizites (redaktionell betreutes) Wissen immer unvollständig ist, dass es zwangsläufig veraltet. Aber meist ist das eher so ein Gefühl dass explizites Wissen relativ schnell altert und damit nutzlos wird.

Insofern habe ich mich über die Gelegenheit gefreut, vom Administrator / Community Manager eines Wikis mal konkrete Zahlen zu bekommen. Die Geschwindigkeit der Alterung, die darin sichtbar wird, hat mir nicht gefallen.

***

Gegenstand ist ein Wiki in der Forschungsabteilung eines süddeutschen Automobilbauers (wir haben hier vier), das von rund 400 Leuten aktiv genutzt wird. Mein Bekannter betreut seit einiger Zeit dieses Wiki. Er meint dass das Wiki in der Abteilung grundsätzlich eine hohe Wertschätzung genießt und gern benutzt wird. Ihn interessierte ganz konkret, wie schnell die Inhalte darin veralten, und damit an Relevanz einbüßen. Wie er dabei vorgegangen ist, und mit welchen Methoden er zu seinen Ergebnissen kam, weiß ich nicht.

Die folgende Graphik, von ihm selbst erstellt, fasst die Ergebnisse seiner Untersuchungen zusammen:

Veraltetes explizites Wissen im Wiki einer Forschungsabteilung

Ergebnisse:

Es dauerte mehrere Jahre, um die Inhalte in Form und Umfang zu erstellen. Nach der Phase des aktiven Aufbaus folgten Jahre der eher konsumierenden Nutzung.

Pro Jahr veralteten im Schnitt ungefähr 14 % der Inhalte. Nach 6 Jahren waren bereits 80 % der Inhalte wahlweise veraltet oder falsch. Aus der Sicht meines Bekannten war das Wiki in seiner damaligen Form damit wertlos geworden, gemessen am Zweck wofür es mal zusammengetragen wurde. Dadurch entstand die Notwendigkeit das Forschungs-Wiki nochmal neu aufzubauen. Die veralteteten oder falschen Inhalte wurden ersetzt, aber auch der verbleibende Rest musste nach einer Überprüfung nochmal „recycelt“, also in einem redaktionellen Prozess überarbeitet werden.

Fazit?

Angesichts solcher Ergebnisse frage ich mich schon, wie hoch die Energie sein sollte, die man in die Erfassung und Speicherung expliziten Wissens stecken sollte. Ich denke, eher weniger. Vor allem im Vergleich zum direkten Austausch von implizitem Wissen, das die Phase des explizit-machens übergeht. Dies gilt aus meiner Sicht umso mehr, als dass eine gute Enterprise Search digitale Gespräche über Lync, Foren und Activity Streams erfasst und als „explizites Wissen“ dauerhaft zugänglich macht.

 

4 Kommentare leave one →
  1. 4. September 2014 12:40

    Werden denn in den 6 Jahren keinerlei Inhalte gepflegt bzw neu eingestellt? Wenn das so ist, dann hat das Wiki ein ganz anderes Problem: es wird nicht als Teil der täglichen Wissensarbeit angenommen.
    Chats, Foren und Activity Streams eignen sich zwar zur Kommunikation, nicht aber zur Verortung von Wissen.
    Es gibt mindestens zwei Typen von Problemlösern in heutigen Firmen, die sich fundamental unterscheiden und sich in der Wahl des technischen Mittels zur Unterstützung der Problemlösung unterscheiden:
    (1) Social Networker: schneller nachgefragt als stundenlang nachgeschlagen
    (2) Lexikon Worker: lieber in Ruhe eine gute Anleitung durchlesen statt sich wundzuquatschen mit Leuten, die auch nur über gesundes Halbwissen verfügen
    Beide Ansätze kommen in der Praxis häufig vor und sind gut nachvollziehbar. Für (1) eignen sich Chats, Foren und Activity Streams. Für (2) ist ein Wiki eher attraktiv.
    Gleich welcher Mittel man sich besucht sind alle Systeme in der Gefahr, eher zu einem schwarzen Loch verschollener Wissensbroken zu verkommen. Bei Activity Streams ist das quasi Programm, da hier Einträge ganz von selbst im Strom der Zeit verschwinden.
    Chats sind in der konkreten Situation zwar super, aber eher schwach, einen einmal gefundenen Konsens einer Diskussion tatsächlich zu erfassen.
    In jedem Fall braucht es eine starke Suche, etwas dass in ach so vielen Produkten wirklich fehlt, sei es Activity Stream, Wiki oder Forum.
    Was man meines Erachtens nicht wirklich sagen kann ist, dass explizites Wissen so, wie es sich in Wikis vorfindet, durch implizites Wissen ersetzt werden kann. Diese beiden Facetten von Wissen kann man so eigentlich gar nicht miteinander vergleichen. Beide sind ausgesprochen Wichtig.

    • 4. September 2014 13:21

      Hallo Herr Daum,

      das zentrale Problem haben Sie schon zielsicher zwischen den Zeilen herausgelesen: In diesem Fall wurde das Projekt „Wissensdatenbank auf Wiki-Basis“ als einmalige Anstrengung begriffen, die zusätzlich zur täglichen Arbeit erwartet wurde. Nicht einkalkuliert wurde der Aufwand diese Informationen aktuell zu halten.

      Oder anders formuliert: Den Projektverantwortlichen war nicht klar, dass sie ein Mittel zur Informationsbereitstellung gewählt hatten, das die fortlaufende Aktualisierung und Entwicklung der Informationen mit relativ geringem Aufwand ermöglicht.

      VG aus München

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