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Social Media Governance: BITKOM Nürnberg, „Arbeitskreis Social Media“

5. Dezember 2011

Am vergangenen Donnerstag waren zwei Kolleginnen und ich bei der Datev in Nürnberg, wo die BITKOM zum „Arbeitskreis Social Media“ einlud. Der Titel der Veranstaltung lautete „Social Media Governance: Wie man sinnvolle Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen S-M-Einsatz in Unternehmen schafft„. Der Fokus der Veranstaltung lag fast ausschließlich auf der externen Verwendung von Social Media, was die Kolleginnen von Marketing und Vertrieb gefreut hat.

Trotzdem war einiges dabei aus Sicht eines Sharepoint-Consultants mit Schwerpunkt Collaboration.  Mich persönlich hätte ja durchgängig die Governance für die interne Verwendung mehr interessiert, aber dafür wird wohl im Januar in Frankfurt in einem anderen Arbeitskreis der Bitkom Gelegenheit sein 😉

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Auf jeden Fall: Die Vorträge und Präsentationen waren durch die Bank weg hörenswert und anregend. TOP 3 auf der Agenda war einer meiner Favoriten: Anne Linke, die die Studie „Social Media Governance 2011“ vorstellte (Link zu Blogartikel).

1.) Interessant fand ich zum einen als Consultant mit Schwerpunkt „Collaboration“ die Gegenüberstellung von drei Ansätzen zur Definition von „Governance“:

  1. Governance im Allgemeinen Sinne seien alle Kontroll- und Koordinationsmechanismen, mit dem Ziel zum Management der Interdependenzen
  2. Corporate Governance sei die Gesamtheit aller Rahmenbedingungen zur Führung und Kontrolle des Unternehmens
  3. Social Media Governance seien alle formellen und informellen Rahmenbedingungen für das Handeln der Mitglieder einer Organisation im Web. Das beinhalte auch konkrete Regeln

Die dritte Definition finde ich insofern überzeugend, als das sie am besten den Dreiklang aus Technik, Organisation und Mensch aufgreift. Obwohl die ganze Studie nur die externe Verwendung von Social Media zum Gegenstand hat, fand ich diese Definition daher gleichermaßen geeignet zur Beschreibung der Steuerung interner Verwendung. Ein guter Einstieg.

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2.) Laut Fr. Linke legt die Studie nahe, dass es einen eindeutigen Zusammenhang gäbe zwischen Governance und den vorhandenen Social Media-Aktivitäten, bezogen auf Umfang und Qualität. Aus meiner Sicht ist das für uns Consultants von Bedeutung, denn es unterstreicht wie wichtig Rahmenbedingungen sind, damit Social Media im Unternehmen funktioniert. Ich meine auch, dass sich das auf den internen Einsatz übertragen lässt, denn „Enterprise 2.0“ ist umgangssprachlich auch nur der interne Einsatz der gleichen Werkzeuge, die sonst als „Social Media“ bezeichnet werden.

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3.) -> Die grundsätzliche Feststellung, welche Bedeutung ein Governance-Konzept für den Erfolg hat, führt geradewegs zur nächsten Frage: Für die Arbeit als Consultants war für mich vor allem der Aspekt interessant, wieviel Prozent der befragten Unternehmen eigentlich ein richtiges Governance betreiben? Denn: mit welchen Kompetenzen kann man als Berater rechnen? Was können wir beim Kunden voraussetzen, was die Bereitschaft zum strategischen Einsatz eben auch „kollaborativer“ Werkzeuge anbetrifft?

Fr. Linke hatte dazu eine Folie dabei, die ich recht ernüchternd fand:

In 70 % aller befragten Unternehmen gab es 2011 noch keine entwickelten Governance-Strukturen. Das deutet darauf hin, dass man als Consultant nach wie vor auch Aufbauarbeit leisten muss.

Der nächste Aspekt bezieht sich auf die Rahmenbedingungen, die für einen erfolgreichen Einsatz gegeben sein müssen. Zwar bezieht sich auch hier wieder alles auf den externen Einsatz (Marketing und Vertrieb), trotzdem ist es für uns als CG Collaboration interessant. Hier die Übersicht der Rahmenbedingungen:

Besonders interessant fand ich die Bedingung „Partizipative/dialogorientierte Unternehmenskultur“. Denn aus meiner Sicht handelt es sich dabei um eine Grundvoraussetzung, um beim Einsatz von Sharepoint „Collaboration“ und „MySite“ so richtig zum fliegen zu bringen. Das begründe ich auch gern ausführlicher in den Kommentaren.

Umso interessanter, dass ausgerechnet dieser Aspekt in seiner Verbreitung als einziger im letzten Jahr abgenommen hat. Das fand ich ebenfalls ernüchternd:

Wenn ich es richtig verstanden habe, begründete Fr. Linke das damit, dass bei vielen Firmen vermutlich am Anfang der Social Media-Nutzung die Euphorie überwog, weswegen Freiheiten gewährt worden seien, die jetzt stärkeren Beschränkungen Platz machen.

Ich nehme das an, denn zum einen zeigte die Studie ja einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Governance und erfolgreichem Einsatz von Social Media (siehe oben). Und zum anderen hätten ja über 70 % der untersuchten Unternehmen bis heute keine richtige Governance.

Schlussfolgerung: Partizipation ohne (transparente und akzeptierte) Regeln hat nicht funktioniert. Die Verwendung der Werkzeuge ohne klaren Ordnungsrahmen hat sich sogar ein Stück weit nachteilig auf die Unternehmenskultur ausgewirkt. Für mich ein Hinweis darauf wie wichtig dieser Ordnungsrahmen von Anfang an ist.

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UPDATE: Die Bitkom selbst hat in ihrem Blog auch über die Veranstaltung geschrieben. Lesenswert auch deswegen, weil die anderen Beiträge ebenfalls vorgestellt werden – hier entlang bitte

6 Kommentare leave one →
  1. 6. Dezember 2011 18:51

    Lieber Herr Höfer,
    vielen Dank für die ausführliche Reflexion meines Vortrages und das Lob. Sie haben sich ein paar sehr interessante Zusammenhänge heraus gegriffen und auch für mich ist es spannend, die Ergebnisse unserer Studie mal aus Ihrer ganz speziellen Sichtweise eines Sharepoint-Consultants mit Schwerpunkt Collaboration reflektiert zu sehen. Ich stimme Ihnen zu, dass auch die interne Perspektive eine Veranstaltung wert gewesen wäre. Viele Grüße.

  2. 6. Dezember 2011 20:44

    Hier die Kopie einer Diskussion zum Artikel, die vorhin auf Facebook stattgefunden hat:

    „Hallo Kyrosch. Ich bin mir nicht sicher, ob ich deine Argumente richtig erfasse. Ich fange mal mit dem an, was sich mir auf Anhieb erschließt.

    Zitat: „Du sagst ja richtig, dass es einen Ordnungsrahmen braucht, und gehst tatsächlich davon aus, dass sich die Kommuniaktion zwischen gleiche stattfindet. Tust du nicht wirklich, aber dies wäre die vopraussetzung dafür , dass niemand es nötig hat Wissen als Ressource zurück zu halten„.

    -> Geh ich von Kommunikation zwischen „Gleichen“ aus, oder nicht? Aber auf jeden Fall sind wir einer Meinung, dass der großzügige Umgang mit der Ressource Wissen ein bestimmtes Klima benötigt: … Fehlerkultur, eher flache Hierarchien, die Einsicht dass auch Chefs nicht das Recht gepachtet haben. Eher „zwischen Gleichen“, ja.

    Zitat:Wenn sich die Orga nicht bereits in seine geleichberechtigte Orgaform gewandelt hat, und der Chef den gleichen Zugang hat, ist nicht gewährleistet, dass auf Kritik nicht Sanktionen folgen.“

    -> Meinst du flache Hierarchien? Falls ja kann ich dir nur recht geben.

    Zitat:Und zuletzt könnte eine solche Form einen Zwang zur Kreativität herstellen, der ganz andere Kompetenzen (sprachlichen Ausdruck) positiv bewertet, als etwa die die ursprünglich zum Kerngeschäft gehörten.“

    -> Ich sehe keinen Zwang zur Kreativität, sorry. Allerdings, Stichwort Kompetenz: der innerbetriebliche Einsatz von Social Media ist eine feine Sache für diejenigen, die gern und gut schreiben, und für die es ok ist sich einer gewissen Öffentlichkeit mitzuteilen. Wem das nicht liegt, dem steht es auch nicht offen auf diese Weise zu mitzuteilen und einzubringen. Einverstanden.

    Ok, und warum nun gefällt dir die 3. Definition nicht? 🙂 Die 3. Definition enthält ja mit formalen „Rahmenbedingungen“ prinzipiell ebenfalls Koordinations- und Kontrollmechanismen. Aber eben nicht nur die. Sondern auch die Einsicht, dass es um mehr als nur Regeln geht. Z.B. um passende Prozesse, die den Einsatz möglich und sinnvoll machen.
    Außerdem legt die Formulierung ein anderes Menschenbild nahe. Definition 1 liegt ein negatives Bild zugrunde („Kontrolle“), während die 3. Variante ein positives Bild transportiert („Rahmenbedingung für Handeln“) – was ist daran zu positiv, gerade im Licht deiner Argumente? 🙂 Grüße!“

  3. Kyrosch permalink
    7. Dezember 2011 08:25

    Du definiertst drei Dinge, die sich unterscheiden, mit jeweils unterschiedlicher SEmantik. Setzte man die Semantik der ersten Definition in die Dritte ein, hieße es: Social Media Gouvernanve seien alle Kontroll- und Koordinationsmechanismen, die die formellen und informellen Kommunikation und Handeln der Mitglieder einer Organisation im Web registrieren.

    Und als Sozialwissenschaftler weißt du, dass der Zugriff auf informelle Strukturen, wenn nicht unmöglich, zumindest leicht totalitäre Züge aufweist. Das ist meine Sorge. Aber wir nehmen, glaube ich zwei unterschiedliche Perspektiven ein 😉

  4. 7. Dezember 2011 18:36

    Interessanter Ansatz. … Deine Kernaussage war ja, dass dir die dritte Definition von „Governance“ zu positiv ist, und dir die erste besser gefällt. (… Die Definitionen sind übrigens alle nicht von mir, sondern aus der Präsentation von Anne Linke).

    Ich gebe dir recht, was die Übertragung des semantischen Kerns von Definition 1 in Definition 3 anbetrifft: das hätte einen totalitären Zug. Aber dieser totalitäre Zug kommt doch aus der ersten Definition, die dir lieber ist, weil dir die dritte zu positiv erscheint. Oder nicht?

    Ich denke aber auf jeden Fall, dass die dritte Definition von Governance die praktischere ist, weil sie besser funktioniert, und die Menschen eher dazu ermuntert aktiv zu werden: „Social Media Governance sind alle formellen und informellen Rahmenbedingungen für das Handeln der Mitglieder einer Organisation im Web“.

    Mein persönliches Verständnis des Begriffs stammt übrigens aus meiner Studienzeit der Politologie, als ich mich zum Schluss intensiv mit Urban Goverance am Beispiel des „Quartiersmanagements“ befasste – siehe auch hier auf meinem Blog:
    http://wp.me/PdWed-7t (Wer hier bloggt)

    Kurzform: um einen bedrohten, abkippenden Stadteil zu stabilisieren ist es notwendig und effektiv, die vorhandenen lokalen Strukturen zu identifizieren, zu stabilisieren. Zusammenzubringen, Wissensaustausch in Gang zu bringen. Veranstaltungen zu initiieren, Räume zu organisieren -> Bahn zu schaffen für das was vorhanden ist und größer werden will.
    Das ganze hat natürlich nicht nur eiteitei-Komponenten. Selbstverständlich muss man manchmal gegen wilde Müllkippen vorgehen, manchmal gegen gewaltbereite Menschen. Da ist dann Eindämmung angesagt, ist aber praktisch immer der kleinere Teil. Das wichtigste ist definitiv „Empowerment“ der lokalen Strukturen.

    Ich finde, dieses Verständnis von städtischer Governance lässt sich auch auf Unternehmen übertragen. Menschen kann man nicht zu Aktivität zwingen, aber man kann Räume schaffen für deren Initiative und deren Wünsche – die ja ohne weiteres job-bezogen sein können und oft sind.

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