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#mgmt20: Lerngruppe München diskutierte über „Führung 2.0“ und Komplexität

31. Oktober 2013

mgmt20aufkleber-250Im Rahmen des Management 2.0 MOOCs traf sich die Münchner Lerngruppe gestern wieder – Rainer Bartel, Franziska Hacke, Peter Madlener und ich. Wir saßen beim Inder, Ecke Rosenheimer und Pariser Straße, und sprachen über das Wochenthema „Führung 2.0„. „Nur“ vier Leute, aber dem engagierten Gespräch hat es nicht geschadet.

Nebenbei hab ich mir ein paar Notizen gemacht, die ich euch zur Verfügung stellen möchte. Dies waren im Groben die Themen, über die wir sprachen. Sie bilden auch die Überschriften im folgenden Text:

  1. Fachkenntnis als Führungsqualifikation?
  2. Verhältnis von Gruppe und Führungskraft
  3. Rolle von Vielfalt für Unternehmenserfolg
  4. Cynefin-Modell und „Komplexität“
  5. Der große Kreisverkehr von Swindon, GB
  6. Exkurs: Gefahren bei Konzeption von Communities
  7. Fazit: Anforderungen an eine Führungskraft 2.0

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1. ) Fachkenntnis als Führungsqualifikation?

MP900449122Die erste Frage in der Runde war die, nach welchen Kriterien eigentlich Führungskräfte ausgewählt werden sollten? Konsens war, dass die Bestimmung der Führungskräfte nicht nach Fachkenntnis, sondern lieber nach „Führungsfähigkeit“ erfolgen sollte – was auch immer das ist.

Denn, Gefahr: Wenn Fachkenntnis zur Führung qualifiziert, und der Chef die Super-Fachkraft nach Außen abgibt, dann ist Fachkenntnis der Untergebenen eine latente Bedrohung. Jede Innovation aus dem Team, die nicht der Linie des Chefs entspricht, ist eine Bedrohung des Chefs. Es ist dann als Chef auf individueller Ebene absolut rational Innovation, die nicht von einem selbst kommen, zu unterdrücken. Eine solche Situation hat eine eingebaute Innovations-Bremse drin, die mit anderen Mitteln erst wieder gelöst werden muss

Vermutung: Je mehr Führungskräfte über Fachkenntnis definiert werden, desto geringer die Toleranz gegenüber Selbstorganisation der Mitarbeiter und abweichende Ideen.

Rainer brachte noch das Zeitproblem ein, das er aus eigener Anschauung in so einem Fall kennen würde. Bei Verantwortung als Fachmann im Projekt, als Projektleiter, bei Verantwortung als Führungskraft, Familie und anderen privaten Dingen … würde die Zeit sehr sehr knapp werden, die würde zur Ressource. Die Offenheit, sind noch darüberhinausgehend mit mehr als dem Notwendigen zu befassen, sinke dramatisch. Man könne kaum erwarten dass so jemand noch offen für Vielfalt wäre, so jemand will den Alltag auf die Reihe bekommen.

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2.) Verhältnis von Gruppe und Führungskraft

Wir sprachen in dem Zusammenhang auch von der Abrenzung von Gruppe und der Führungskraft. Wenn Offenheit wünschenswert ist, und das gesammelte Wissen der Mitarbeiter, welche Rolle hätte die Führungskraft dann inne? Wir unterschieden grob nach Rollen:

  • Gruppe: Austausch, Entwicklung der Lösung, Entscheidungsvorbereitung, jeder sei als Wissensträger aufgefordert sich einzubringen
  • Vorgesetzter: Beteiligung an Entwicklung der Lösung, Moderation, Entscheidung

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3.) Die Rolle von Vielfalt für den Unternehmenserfolg

You are not paid to thinkVielfalt / Diversity war ein ganz großes Stichwort den Abend über. Es war Konsens in der Gruppe, dass Vielfalt / Diversity grundsätzlich eine gute Sache für Unternehmen ist, wenn diese kreativ und wettbewerbsfähig bleiben wollen. Das bezieht sich sowohl auf die Mitarbeiter selbst, als auch die Ideen und Perspektiven, die unterschiedliche Persönlichkeiten mitbringen

Aufgabe einer Führungskraft 2.0 sei daher:  Vielfalt ermutigen, zulassen, umsetzen

Bezüglich Vielfalt war eine Anregung von Ilja Preuß im Rahmen dieses MOOCs sehr interessant, die uns als Best Practice galt. Er nannte ein Szenario für den Umgang mit Vielfalt und abweichenden Ideen bei der Firma Semco:

Aus meiner Sicht: die Mitarbeiter *sind* das Unternehmen, und definieren gemeinsam – durch ihr Handeln – was das Unternehmen will. Und wir sorgen nicht dafür, dass alle dasselbe wollen, sondern wir schauen, ob das, was jeder will, noch mit dem Rest ausreichend zusammen passt.

Semco treibt das meines Wissens z.B. ins Extrem: Du magst keine Schiffspumpen mehr bauen, aber hast eine Idee, wie man effektivere Inventuren in Kaufhäusern machen kann (und brennst dafür)? Begeistere einen, zwei weitere Kollegen dafür, erstelle einen Business Plan, probiere den aus, und komme dann wieder. Funktioniert? Toll! Passt nicht so recht in unser aktuelles Geschäft? Lasst uns eine neue Firma ausgründen.

In der Brandeins findet sich ein Artikel von 2010 über Ricardo Semco, und wie er auf eigenes Risiko sein Unternehmen führt. Ausführlich erklärt sind die Grundzüge des Semco-Systems auf Wikipedia.

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4.) Das Cynefin-Modell und Komplexität

Cynefin-04Das Cynefin-Modell und Komplexität kamen gegen später durch Sprache, als wir uns vermehrt über die Rahmenbedingungen unterhielten, unter denen Unternehmen wirtschaften. Wir waren uns da einig, dass wir es haben (als Wissensarbeiter) immer weniger mit einfachen und komplizierten Problemen zu tun haben. Der Trend geht eindeutig zu komplexen Problemen > „probiere, erkenne, reagiere“, um Probleme zu lösen, deren Lösung nicht vorhersagbar ist, da klare Ursache-Ergebnis-Wirkungszusammenhänge fehlen.

In diesem Rahmen diskutierten wir auch das Cynefin-Modell von Dave Snowden, das ich in diesem Artikel auf wandelweb.de besser erklärt finde. Das glichen wir auch ab mit der Probstschen Unterscheidung zwischen „komplizierten“ und „komplexen“ Situationen und den daraus entstehenden emergenten Systemeigenschaften im System Unternehmen.

Bezogen auf diese Rahmenbedingungen war für uns klar, dass Führung 1.0 vermutlich noch tayloristisch bei einfachen und komplizierten Problemen funktionierte („Ich Chef, du nix. Ich denken, du arbeiten). Unter Bedingungen zunehmend komplexer Systeme funktioniert diese Aufgabenteilung nicht mehr. Führung 2.0 bedeutet die Offenheit bei der Lösungsfindung zu akzeptieren – und eben Vielfalt im System nicht nur zuzulassen, sondern auch zu fördern.

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5.) Der große Kreisverkehr von Swindon

Swindon-Magic-Roundabout.svgStichwort Vieltfalt und Selbstorganisation. Das Cynefin-Modell wurde noch ergänzt von Rainer mit der Erwähnung des „Magic Roundabout“ in Swindon, GB: Ein großer Kreisverkehr seit 1972, der von 5 kleineren Kreisverkehren sowie 6 Zu- und Abfahrtsstraßen umschlossen wird. Konzipiert als „Multi-mini-roundabout“:

Der Roundabout von Swindon hingegen war von Anfang an dazu gedacht, eine stark staugefährdete Kreuzung, an der sich fünf Hauptverkehrsstraßen treffen, zu entschärfen. Täglich war dort der Verkehr immer wieder zur Hauptverkehrszeit zum Erliegen gekommen. Heute fließt dort der Verkehr sogar zu den Stoßzeiten noch relativ flüssig, obwohl der Magic Roundabout für das viel geringere Verkehrsaufkommen der 1970er Jahre geplant worden war.

Konsens in der Gruppe, dass es sich hier um ein Bilderbuchbeispiel gelungener (mehrstufiger) Selbstorganisation handelt. Dass Selbstorganisation nicht nur möglich ist, sondern sogar effizienter.

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6.) Exkurs: Gefahren bei Konzeption von Communities

Der Magic Roundabout – so kommt mir beim Schreiben des Artikels die Idee – taugt als Analogie für ein Problem, das nebenbei auch noch diskutiert wurde, obwohl es wenig Bezug zur Frage nach „Führung 2.0“ hat: Communities

(c) Harold Jarche

(c) Harold Jarche

Rainer sieht folgendes Problem:

  • Je einfacher Communities zu erstellen sind, desto größer die Gefahr dass sich kleine Grüppchen bilden, die kaum noch in Austausch stehen
  • Dazu passt folgendes Bild: in einer Firma gibt es keinen gemeinsame Kantine, in der man sich so oder so irgendwann mal zwanglos trifft. Eine Firma in der alle separat in Kleingruppen Essen gehen – jeder für sich, jeder in seiner Beziehungsblase

These: Zuviel solcher Communities of Interest fördern die Homogenität in einer Firma, statt Vielfalt herzustellen

Wir als Gruppe sahen da ein Spannungsverhältnis zwischen Offenheit vs. Vereinzelung. Einerseits muss Raum für die Bildung von Communities of Interest da sein, andererseits muss eine Möglichkeit vorhanden sein, dass die anderen Kollegen trotzdem sichtbar sind und Austausch mit dem Gesamtunternehmen besteht.

Ein Grund also nicht nur Communities of Interest, sondern auch Communties of Practice zu ermöglichen. Und die dann auch sinnig zu verzahnen. Auch das wurde als Führungsaufgabe verstanden.

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7.) Fazit: Anforderungen an eine Führungskraft 2.0

  •  Mischung aus Selbstbewusstsein und Bescheidenheit
  • Neugier
  • Fähigkeit das eigene „Bedürfnis nach Konsistenz“ in Frage stellen zu können
  • Fähigkeit Fragen zu stellen und zuhören zu können
  • Nicht versuchen unkontrollierbares zu kontrollieren
  • Steuerung, was nicht mehr zu managen ist
  • 1.0 und 2.0 zu verbinden
  • Vertrauen zur Selbstorganisation
  • Community-Management betreiben
  • Vielfalt ermutigen, zulassen und umsetzen

 

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